Die Jugend ist eine Transformationsphase und von besonderer Bedeutung für die Entwicklung der eigenen Identität. Jugendliche befinden sich in der Selbstfindung, suchen nach einem Platz in der Gesellschaft sowie nach der eigenen sozialen Rolle. Der Übergang von der Grundschule in die Berufsbildung oder in weiterführende Schulen, ein Lehrabschluss oder die Matura stehen an. Die Ablösung von den Eltern steht im Zentrum und macht es für die Eltern in dieser Phase nicht einfach, zu spüren wie es diesen Menschen geht. Die Gleichaltrigen sind in diesem Lebensabschnitt sehr viel wichtiger.

Jugendliche und Corona

Einschränkungen im Ausmass, wie wir sie in den letzten 15 Monaten erlebt haben, waren bereits für uns Erwachsene eine schwierige und anstrengende Zeit. Wir alle spüren die Coronamüdigkeit sehr stark. Wir sind dünnhäutig, gestresst oder verunsichert. Für Jugendliche dauert diese Zeit bereits eine Ewigkeit. Sie sind gesundheitlich weniger gefährdet. Daher profitieren sie, im Vergleich zu den Erwachsenen, auch unterdurchschnittlich von den Schutzmassnahmen. Gleichzeitig sind sie aber überdurchschnittlich stark von denselben betroffen. Soziale Isolation, Langeweile, Zukunftsängste oder fehlender Raum, um auszubrechen und eigene Erfahrungen zu machen, sind einige der Gründe, welche zu Frust und Verzweiflung führen. Den jungen Menschen fehlen zudem die Freizeit und der Freiraum mit Gleichaltrigen, wo sie ihre Energie ausleben können. Hinzu kommt, dass viele Eltern durch die coronabedingten Einschränkungen überfordert oder gestresst sind und deshalb auch nur eingeschränkt ein offenes Ohr für ihre Kinder haben. All das zusammen sorgt für Unmut unter Jugendlichen und birgt sozialen Zündstoff, der sich nicht nur bei uns in Aarberg, sondern auch bereits an anderen Orten in der Schweiz und im Ausland entladen hat.

Nicht alleine lassen

Aus dieser Sicht ist es enorm wichtig, dass wir alle, die Behörden, die Schulen und die Eltern, diese Jugendlichen jetzt nicht alleine lassen. Im Gegenteil, es ist gerade nach solchen Vorfällen sehr wichtig, das Gespräch mit diesen jungen Menschen zu suchen. Wir müssen ihnen zuhören und herausfinden, welches ihre Bedürfnisse und Ängste sind. Wir müssen sie in den Lösungsprozess integrieren und diesen nicht von oben her diktieren. Dieser Prozess muss von Expert*innen aus Jugendfachstellen begleitet werden.

Dies sind keine einfachen Herausforderungen. Wir vertrauen aber darauf, dass seitens Gemeinde die nötigen Schritte unternommen werden. Bei Bedarf sind wir gerne bereit, diesen Prozess zu unterstützen. Als Inspiration hier einige Ideen:

  • Im Gespräch mit Kindern und Jugendlichen deren Bedarf nach Bewegung, Sport und öffentlichen Aufenthaltsräumen eruieren und solche Möglichkeiten in Aarberg schaffen (Beispiel Skatepark Lyss). Aus der Bevölkerung wurde an uns herangetragen, dass solche Räume und Möglichkeiten in Aarberg zu knapp sind.
  • Den Eltern konkrete Hilfestellungen geben, wie sie ihre Kinder in dieser schwierigen Phase unterstützen können.
  • Aktionen zur Sensibilisierung, wie die in Aarberg bereits erfolgreich durchgeführte Aktion „Lueg härä“.
  • Regelmässige Events im bestehenden Jugendraum organisieren
  • Erweiterung des bestehenden Schülerrats der Oberstufe zu einem „Jugendlichen-Rat“ oder Gründung eines Vereins „AarJunior“, der sich regelmässig austauscht und Empfehlungen oder Wünsche zu Handen der Gemeinde erarbeitet
  • Bestehende Hotlines (Pro Juventute und Corona Helpline der Jugendfachstelle Lyss) in Erinnerung rufen
  • Idealerweise die Jugendlichen den angerichteten Schaden wieder aufräumen lassen.

All diese Überlegungen zur Situation der Jugendlichen sind keine Entschuldigung für die Vorfälle. Aus unserer Sicht ist es aber insbesondere nach solchen Ereignissen wichtig, dass wir als Gesellschaft auf die Jugendlichen zugehen, ihnen zuhören und ihnen helfen, ihren Frust und ihre Verunsicherung anders zu verarbeiten. Einzig mit „Law and Order“ oder mit Hasskommentaren in den sozialen Medien bieten wir der jungen Generation keine nachhaltige Unterstützung.